Sonderausstellung

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Hauptausstellung

Interessante Einblicke in die brandenburgisch-preußische Geschichte

Schraubtaler zur Hungersnot 1816

Der Schraubtaler enthält 8 gestochene Texte und kolorierte Darstellungen auf Papier zum Katastrophenjahr 1816 und dem darauffolgenden ertragreichen Jahr. In den Deckeln Tabellen mit dem Anstieg der Nahrungsmittelpreise von Oktober 1816 bis Juli 1817 im Vergleich zum "Theuerungs Jahr" 1771. Der Taler zeigt recto ein Bittgebet (1816) und verso ein Dankgebet (1817).

 

Die Folgen des verheerenden Vulkanausbruchs des Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa führten sogar in Mitteleuropa zu dramatischen Wetterveränderungen.

 

1816 ging als "Jahr ohne Sommer" in die Geschichte ein, mit Schnee, Hagel, Gewittern, Frost und Hochwasser im Sommer. die Nahrungsmittelpreise stiegen rasant. Vor allem in Süd- und Westdeutschland verdoppelten bis verdreifachten sich vom Oktober 1816 bis in den Sommer 1817 hinein die Preise.

 

Im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Gefahr, Hungers zu sterben, fast alltäglich und die Ernährung der eigenen Bevölkerung eine der größten und schwierigsten Aufgaben der Herrscher. Jede Generation erlebte wenigstens eine große Hungersnot. Verbesserungen in der Landwirtschaft waren daher lebensrettend. Man sprach von der letzten Phase der sogenannten „Kleinen Eiszeit“, die etwa von 1300 bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts reichte. Im 18. Jahrhundert waren die durchschnittlichen Winter etwa 6-8 Grad kälter als heute, das hatte beispielsweise zur Folge, dass die Lagune von Venedig im 18. Jahrhundert sechsmal vollkommen zugefroren war. Die Vegetationsperiode war um zwei Wochen bis einen Monat kürzer als heute. Friedrich der Große musste sich gleich zu Beginn seiner Regierungszeit mit einer großen Hungersnot in seinen Ländern auseinandersetzen. Das war der Grund, warum Friedrich buchstäblich „mit aller Gewalt“ den Kartoffelanbau in Preußen durchsetzte. 1770-1772 erlitt ganz Europa drei verheerende Missernten hintereinander. Die Ernteausfälle reichten von Frankreich bis in die Ukraine und von Skandinavien bis in die Schweiz und gingen auf eine der extremsten Witterungsanomalien der „Kleinen Eiszeit“ zurück.

1815, just nach dem Ende der verheerenden napoleonischen Kriege, brach auch noch der Vulkan Tambora auf der indonesischen Insel Sulawesi mit der 170.000fachen Wucht der Hiroshima-Bombe aus und schleuderte 160-200 Kubikkilometer Asche und Schwefelaerosole in die Atmosphäre. Diese verteilten sich global und ließen die weltweiten Durchschnittstemperaturen im Folgejahr der Eruption um 3 °C sinken. 1816 war das zweitkälteste Jahr seit 400 Jahren. Weite Teile von Nordamerika und Westeuropa erlebten zwei Katastrophenjahre. Die Stadt Quebec versank im Juni 1816 unter einer dichten Schneedecke, die Schweiz und Süddeutschland den ganzen Sommer über unter sintflutartigen Regenfällen. Das Getreide verfaulte auf den Feldern oder wurde durch den Hagel vernichtet. Zwei Drittel des Viehs ging ein oder musste wegen Futtermangels notgeschlachtet werden. Die Menschen litten unter der Vervierfachung der Getreidepreise und hungerten. Ein Fünftel der Bevölkerung Badens und Württembergs versuchten, dem Hunger zu entfliehen und verließen das Land in Richtung Russland und Balkan, viele über die Donau. Die wackeligen „Ulmer Schachteln“ verdanken ihre Entstehung dieser Fluchtwelle.


1846 und 1847 kulminierten witterungsbedingte Missernten mit der seit 1844 grassierenden Kartoffelfäule zu einer weiteren großen Hungersnot, die nicht nur in Preußen, sondern in weiten Teilen des übrigen Deutschlands Hungerrevolten auslöste, deren blutige Niederschlagung schließlich in die Revolutionen von 1848 mündete. Der Hungeraufstand der schlesischen Weber von 1844 ist durch Heinrich Heine, Gerhard Hauptmann und Käthe Kollwitz fester Bestandteil unseres kulturellen Erbes geworden.